Chronik

Über 60 Jahre im Überblick

1955 – 1969

31.07.1955

Feierliche Eröffnung des Museums für Thüringer Volkskunde im Herrenhaus des Großen Hospitals am Mao-Tse-tung-Ring 140 a als Abteilung des Angermuseums. Initiator ist dessen Direktor Dr. Herbert Kunze. Präsentiert werden, ganz im traditionellen Fachverständnis, Spinnstube, Schulzenzimmer, Innungsraum, Trachtensaal, aber auch die ländliche Arbeitswelt: Handwerk und Heimgewerbe.

Beginn der 1960er Jahre

Die Ausstellungstätigkeit wird aus politischen Gründen (zu „bürgerlich“!) eingestellt, das Personal abgezogen, das Haus also faktisch geschlossen.

ab 1963

Auf Grundlage der Angermuseumssammlung wird im Haus ein Historisches Museum etabliert – geplant als Stadtgeschichtsmuseum mit einer Abteilung Thüringer Volkskunde. Die Ausstellungsfläche erfährt durch zahlreiche Baumaßnahmen eine beträchtliche Erweiterung, so dass nunmehr die Entwicklung des Proletariats im Kapitalismus dargestellt werden kann.

1966

In einer viel besuchten Sonderausstellung werden Objekte der zum Fundus gehörenden und in den 1880er Jahren vor Ort von Dr. Wilhelm Knappe zusammengetragenen Südsee-Sammlung präsentiert.

1968

Der zentralistisch geleitete Verband Museen der Stadt Erfurt entsteht. Erst 1991 wird er zugunsten einzelgeleiteter Spezialmuseen aufgelöst.

1969

Das Museum für Thüringer Volkskunde nimmt die aktive Ausstellungstätigkeit wieder auf. Als Richtlinie dient die parteipolitisch konforme Sicht auf Kultur und Lebensweise der werktätigen Bevölkerung. Der Ur- und Frühgeschichtler Egon Henning übernimmt (bis 1993) die Leitung des Hauses. Abrisspläne des Hospitalkomplexes für den Bau von Punkthochhäusern und Plattenbauten sind damit ad acta gelegt.

1970 – 1990

1970er Jahre

Die Expositionen „Thüringer Volkskunst von ihren Anfängen bis in unsere sozialistische Gegenwart“ sowie „Älteste Volkskultur“ werden eröffnet. Die Ausstellungsfläche wächst um mehr als das Dreifache; eigene Sammlungen werden angelegt und kontinuierlich erweitert. Das Museum für Thüringer Volkskunde entwickelt sich zum meistbesuchten Museum der Stadt.

1980er Jahre

Die von Manfred Ihle konzipierten Expositionen „Heimarbeit und Lohnarbeit in Thüringen“ und „Handwerk in Thüringen“ rücken Alltagsgeschichte in den Mittelpunkt und setzen damit Maßstäbe über Erfurt hinaus.

Beginn 1990er Jahre

Im Brauhaus, damals eine der repräsentativsten Räumlichkeiten Erfurts, werden die Bundesminister Waigel und Genscher empfangen. Auch die ersten Pressekonferenzen der Thüringer Landesregierung finden hier statt.

1993 – 1999

1993

Die Volkskundlerin Dr. Marina Moritz tritt zum Jahresende die Nachfolge von Egon Hennig an. Ausstellungen und Gesamtprofil des Hauses sind seither modernem Fachverständnis verpflichtet, durchlaufen inhaltliche und gestalterische Veränderungen.

1994

Aus Anlass der Sonderausstellung „Korbmacherhandwerk in Thüringen“ erscheint Band 1 der Schriftenreihe des Museums für Thüringer Volkskunde. Im Sommer 2015, zum 60. Gründungsjubiläum, wird Band 39 veröffentlicht werden.

1996

Das Museum ist Organisator und Gastgeber der Tagung „Mensch und Museum. Möglichkeiten und Grenzen gegenwärtiger Museumsarbeit“ der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde.
Mit „Thüringer Volkskunst: Spanschachteln“ liegt ein erster Bestandskatalog vor; ein zweiter, „Bemalte Möbel“, folgt 2003.

1997

Mit „Trachten machen Leute. Ländliches Kleidungsverhalten im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert“ wird die erste neu gestaltete Dauerausstellung der Öffentlichkeit übergeben.
Mit der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen – vom Land finanziert und dem Museum zugeordnet – entsteht eine bundesweit einmalige Einrichtung der Verknüpfung von wissenschaftlicher und angewandter Volkskunde.

1998

Das Schaudepot für Historische Textilien (2013 räumlich erweitert), das erste und bislang einzige seiner Art im Freistaat Thüringen, wird eröffnet. Ein Jahr später folgt das Schaudepot Keramik.

1999

Das Museum findet mit seinen Ausstellungen „Typisch DDR? Personen und Gegenstände“ (Abschlussveranstaltung der 1995 begonnenen Ausstellungsreihe '50 Jahre DDR. Ein imaginäres Jubiläum') und „Goethe trifft den gemeinen Mann. Alltagswahrnehmungen eine Genies“ Aufnahme in das Hauptprogramm „Weimar 1999 – Kulturhauptstadt Europas“. Die Ausstellungen werden im Anschluss in Wiesbaden bzw. Wetzlar gezeigt.

2001 – 2010

2001

In Anwesenheit des Ministerpräsidenten Dr. Bernhard Vogel wird die sich als Kernausstellung begreifende ständige Ausstellung „Erfahren – verändern – beharren. Dorfleben im 19. Jahrhundert“ eröffnet. Das Begleitbuch ist binnen kurzer Zeit vergriffen.

2002

Eröffnung der ständigen Ausstellung „Virtuelles Volksleben. Thüringer Trachtenpuppen“.

2004

Präsentation eines gemeinsam von Museum, Deutschem und Thüringer Trachtenverband und Lehrstuhl für Volkskunde der FSU Jena erarbeiteten Nutzungskonzepts für das seit 1995 leer stehende sog. Pfründnerhaus im Innenhof. Es findet breite Zustimmung. Praktische Schritte leiten sich daraus aber nicht ab. Fünfzehn Jahre später ist das Gebäude akut von Verfall bedroht.

Mit „Ein Kleid für die Heimat. Zur Trachtenpolitik thüringischer Herrscherhäuser im 19. Jahrhundert“ beteiligt sich das Museum an der 2. Thüringer Landesausstellung „Neu entdeckt – Thüringen, Land der Residenzen“.

2005

Im Mittelpunkt des 50. Gründungsjubiläums steht die gemeinsam mit der Kunsthalle Erfurt realisierte Ausstellung „Reisen ins Paradies. Die Erfurter Südsee-Sammlung im Spiegel der Kunst“.

2006 – 2008

Die Ausstellungen „Das Fürstentum Erfurt und die Herrschaft des Großen Kaisers. Leben und Sterben in bewegter Zeit (1806–1814)“ und „Feine Leute. Mode und Luxus zur Zeit des Empire“ thematisieren die napoleonische Herrschaft im regionalen und überregionalen Kontext.

2009 – 2010

Zwei Ausstellungen „Ein besonderes Jahr. Thüringen: Mai 1989/ Mai 1990“ und „Bilder aus der neuen Zeit. Erfurt 1990–1995. Fotografie von Dieter Demme“ würdigen die zwei wichtigsten Ereignisse der jüngeren deutschen Geschichte: 20 Jahre Mauerfall und 20 Jahre Deutsche Einheit.

2010 – 2019

2010

„Neuer Glanz in alten Formen. Zu Geschichte und Gegenwart der Porzellanmanufaktur Reichenbach“ heißt die Ausstellung, womit sich das Haus am Landesprojekt „250 Jahre Thüringer Porzellan“ beteiligt.

2010 – 2011

Fassadensanierung von Eingangs- und Straßenseite des Museumsgebäudes.

2011

Eröffnung der ständigen Ausstellung „Bemalte Möbel. Produktion – Gebrauch – Interpretation“.

2012

In Partnerschaft mit der Universität Erfurt wird erfolgreich die Ausstellung „Amplonius: Die Zeit. Der Mensch. Die Stiftung. 600 Jahre Bibliotheca Amploniana in Erfurt“ realisiert. Sie ist Bestandteil der Dekade „Luther 2017. 500 Jahre Reformation“ des Freistaates Thüringen.

2013

Das vom Stadtrat verabschiedete Strategische Kulturkonzept der Landeshauptstadt Erfurt weist das Haus als ein „Leitmuseum“ von landesweiter Bedeutung aus.

Der Fahrstuhl (Baujahr 1910!) im Hauptgebäude wird von der Arbeitssicherheit endgültig für den Personentransport gesperrt. Das Museum ist damit für Menschen mit körperlichen Handicaps noch schwerer zugänglich. Ebenso aus Sicherheitsgründen ist die Nutzung der bisherigen Flächen für museumspädagogische Veranstaltungen nicht mehr möglich. Lösungen sind nicht in Sicht, negative Auswirkungen auf die Besucherentwicklung die Folge.

2013 – 2014

Nach Schwammbefall Sanierung von Haus 1 (Kleines Pfründnerhaus), Domizil der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen. Nach Abschluss der Baumaßnahmen ist ihr Rückzug infolge wachsenden Raumbedarfs und damit verbundener statischer Probleme dennoch nicht möglich. Ein „Notquartier“ in Museumsnähe wird gefunden.

2014

Konstituierung des Fachgremiums Thüringer Volkskundemuseum im Großen Spital zu Erfurt unter Leitung von Kulturdirektor Dr. Knoblich. Grundlage der Brainstorming-Plattform ist das im Museum über die Jahre entwickelte Nutzungskonzept. Hoch angesehene Kollegen aus dem musealen und universitären Bereich, beheimatet und beruflich gebunden in verschiedenen Regionen Deutschlands, in Österreich und der Schweiz, stehen für die Entfaltung des Potenzials des einzigartigen, teils in ruinösem Zustand befindlichen denkmalgeschützten Gebäudeareals Großes Hospital ein.

Mit der Ausstellung „Für Kaiser, Gott und Vaterland? Das kurze Leben des Ernst Heller (1884–1916)“ – sie rückt ein Einzelschicksal in den Fokus – gelingt ein besonderer Beitrag zu den Gedenkfeierlichkeiten 100 Jahre Ausbruch 1. Weltkrieg im Freistaat.

2015

Neben der laufenden Neugestaltung der Dauerausstellungen bilanziert das Museum trotz schmalen Etats allein seit 2005 die Präsentation von fünfzig Sonder- und Kabinettausstellungen! Diese entstanden größtenteils in hauseigener Konzeption und Realisierung, obgleich das Haus noch immer zu den städtischen Museen mit der schmalsten Fachbesetzung zählt.

7. Juni 2015

Gemeinsam mit vielen Gästen wird (vorfristig) der 60. Museumsgeburtstag gefeiert. Oberbürgermeister Andreas Bausewein, Ministerin Anja Siegesmund sowie Hans-Georg Dorst, stellvertretender Vorstandsvorsitzender Sparkasse Mittelthüringen, und Holger Nowak, Geschäftsführer Museumsverband Thüringen e. V., entbieten Grußworte; Prof. em. Dr. Christel Köhle-Hezinger, Vorsitzende Volkskundliche Kommission für Thüringen e. V., hält die Festrede. Veranstaltungshöhepunkt bildet die Eröffnung von 60 zum Sechzigsten: Die Jubiläumsausstellung. Danach geht es im Museumshof zünftig weiter – mit Bratwurst, Bier und Musik.

2016

Nach Sonderausstellungen, in denen u. a. skurrile weihnachtliche Dinge aus Museumsbeständen zu sehen waren, Fasching in der DDR thematisiert sowie Designer-Mode aus Thüringen präsentiert wurde – folgt eine Ausstellung aus Russland: Preisgekrönte textile Arbeiten eines Kunstprojekts, welches zu Ehren des 55. Jahrestages des legendären Weltraumfluges Juri Gagarins von dessen Nichte initiiert worden war. Diese vom Publikum gefeierte „Hommage an Juri Gagarin“ findet ihr Pendant im Einkaufszentrum Anger 1, wo das Museum dem Aufenthalt Gagarins in Erfurt 1963 eine eigene Schau widmet.

2016/17

Das Kooperationsprojekt „Leben zwischen Heimat und Fremde“ greift innovativ ein aktuelles Thema auf: Gezeigt werden Porträts junger Europäer, die der Fotograf Edgar Zippel im Auftrag des Berliner Museums Europäischer Kulturen in allen Teilen Europas fotografierte, dabei Lebenspläne und Ängste erkundete. In Interaktion damit zwei Ausstellungen der freien Kunstszene Erfurts, die das gemeinsame Thema „Dazwischen: Vom Fremdsein und Heimischwerden“ eint. Den Blick in die Vergangenheit wirft das Museum mit Biografien aus dem 17. Jahrhundert bis in die späten 1980er Jahre: „Neue Heimat: Wege und Umwege“.

2017

Dass mangelnde Bauinvestitionen die Museumsarbeit ausbremsen, wird am geschlossenen Keramikschaudepot, am für Personenbeförderung gesperrten Fahrstuhl u. v. m. offensichtlich. Gabriele Frenzel, langjährige Museumspädagogin, verstirbt – ein sehr schmerzlicher Verlust. Die Stelle bleibt vakant.

Mit Sonderausstellung und Begleitbuch „Pilgern: Auf der Suche nach dem Glück“ greift das Museum publikumswirksam ein historisch interessantes, aktuelles Thema auf. Iris Höfer verabschiedet sich nach fast 30 Dienstjahren als Museologin mit der Ausstellung „Weihnachtszauber. Fotografische Streifzüge durch drei Jahrhunderte“ in den Ruhestand.

2018

Das Thema schadstoffkontaminierten Kulturguts kommt auf die Agenda. Sehr erfreulich ist die Nachbesetzung der einzigen Museologenstelle: Steffen Riede tritt seinen Dienst im August an.
26 Künstler des Kunstwestthüringer e. V. – alle begeistert von der Professionalität im Haus und den schönen Räumlichkeiten – stellen Werke zum Thema „Magische Quadrate. Buchstaben und Zahlenspiele“ aus. Dazu korrespondieren historische Stickmustertücher und deren Buchstabenmotive, die aus Museumsbeständen einen Aspekt weiblicher Alltagskultur vergangener Jahrhunderte dokumentierten.

2018/19

Die Zukunft des Museums bleibt unsicher. Ermutigendes Signal: Ministerpräsident Bodo Ramelow übernimmt die Schirmherrschaft über die Sonderausstellung „Sieben Geschichten vom Glauben. Fotografien von Sebastian Hesse“. Die faszinierenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeigen eindrucksvolle Begegnungen mit Gläubigen, für die sich Sebastian Hesse, Chefreporter des MDR und passionierter Fotograf, auf Reisen durch sieben Weltregionen begeben hat. Kooperationspartner für die Ausstellung ist der renommierte Mitteldeutsche Verlag. Dank Fördermitteln der Sparkasse Mittelthüringen stehen Besuchern Audioguides zur Verfügung.